Sonntag, 20. Januar 2008

(Teil2) Kindliche Kreativität in den ersten sieben Jahren: Fantasie

Rita Kohnstamm zur praktischen Psychologie der ersten 7 Lebensjahre: Praktische Kinderpsychologie* (Huber Verlag, 4. vollst.überarb. Aufl.):

Fantasie als eine hoch stehende Form des Denkens:
Fantasieren ist eine hoch stehende Form des Denkens, denn damit ist der Mensch nicht daran gebunden, was er schon kennt oder was real ist. Er ist in der Lage über Bekanntes und Reales hinaus zu denken. Gerade in der kindlichen Entwicklung ist diese Fähigkeit eine besondere Gabe. Nur so kann das Stofftier oder die Schmusedecke zum Ersatzgegenstand für die abwesende Mutter oder zum fiktiven "Beschützer" des Kindes werden. Nur so kann ein Gegenstand als Ersatz für die Spielpuppe herhalten und mit allen möglichen Gegenständen irgendwelche Fantasiewelten aufgebaut werden.

Fantasie ist eine Bereicherung der kindlichen Realität. Bei Erwachsenen öffnet sie die Pforten zu besonderen Fähigkeiten:
Die kindliche Realität wird bereichert und später ermöglicht sie Erwachsenen z.B. einen Zugang
  • zur Kunst
  • zur Religion
  • zur Erfindung von neuen Technologien
  • zur Entdeckung neuer (theoretischer) Zusammenhänge
"Wer eine schöpferische Fantasie hat, ist in der Lage, Bekanntes mit Hilfe seiner Fantasie in Gedanken zu verändern und neu zu kombinieren, und kann dadurch Dinge entdecken, von denen er noch nicht wusste." (R. Kohnstamm, Prakt. Kinderpsychologie, Seite365)

Kinder "füllen" mit der Fantasie ihre Wissenslücken:
Kinder kennen nur Teile der Wirklichkeit. Mit Hilfe ihrer Fantasie ergänzen sie ihre Lücken. Zauberei ist für Kinder oft etwas völlig Normales. Sie kennen noch nicht die Gesetzmäßigkeiten, welche die Zauberei der "Trickkunst" zuordnen, d.h. das plötzlich aus dem Hut auftauchende Kaninchen ist völlig normal - noch ein fester Bestandteil ihrer Fantasie.

Erst ab ca. 7 Jahren verschwindet allmählich das von der Fantasie bestimmte Denken, denn das Kind hat dann ausreichend Gesetzmäßigkeiten kennen gelernt, so dass es die Dinge aufgrund dessen verstehen kann.

Die "Lüge" der Vorschulkinder entpuppt sich als "fantasierte Wahrheit:
FAZIT:
Wenn Vorschulkinder offensichtlich "Unwahres" erzählen und felsenfest davon überzeugt sind, dass sie nur die Wahrheit sagen, dann ist dies nicht eine Unart, sondern in diesem Alter noch völlig normal.

Mittwoch, 16. Januar 2008

(Teil1) Kindliche Kreativität in den ersten sieben Jahren: Fantasie

Grundlage meiner Ausführungen ist hier das sehr empfehlenswerte, gut lesbare Buch von Rita Kohnstamm zur praktischen Psychologie der ersten 7 Lebensjahre: Praktische Kinderpsychologie* (Huber Verlag, 4. vollst.überarb. Aufl.)

Frau Kohnstamm hat dem Thema "Kreativität" 3 Kapitel gewidmet. Im ersten Kapitel zum Thema beschäftigt sie sich mit der kindlichen Fantasie und ihre Auswirkungen für das Denken und Fühlen. Frau Kohnstamm setzt in ihrem Buch kein psychologisches Grundwissen voraus, so dass das Buch auch für Laien sehr gut verständlich ist. Aber auch Studierende der Erziehungswissenschaften oder der Psychologie kommen nicht zu kurz, da Frau Kohnstamm ihre praxisnahen Ausführungen immer auf Ergebnisse aus der aktuellen Forschung bezieht.

Betrachtet man sich den Fächerkanon, welche bereits Grundschüler zu absolvieren haben, dann muß man leider feststellen, dass für Fantasie und Kreativität, außer ein wenig! Musik- und Kunstunterricht keine schulischen Angebote vorgesehen sind. Dabei sind sich Wissenschaftler einig, dass Fantasie und Verstand keine Gegensätze sind, sondern wie Frau Kohnstamm sagt eine "wichtige Form des Denkens" sind:

"Die einfachste Form des Fantasierens ist das Denken in Bildern, die nicht die momentane Wirklichkeit widerspiegeln".(* S.363)

Diese einfache Form der Fantasie beginnt vermutlich ab dem 2. Lebensjahr. Sie hilft dem Kleinkind, um z.B. eine kurze Trennung von der Mutter zu verkraften (da die Mutter in der Fantasie gegenwärtig ist). Ein wichtiger Unterschied zwischen der kindlichen und erwachsenen Fantasie ist, dass das Kind glaubt, seine Fantasien seien wahr. In der Erinnerung kann sich so die Fantasie mit der Realität vermischen.